Sabine Werkner
Dem Gegenüber mit allen Sinnen begegnen und zulassen, dass etwas entsteht. Das Entstandene annehmen und mit neuen Erkenntnissen die nächsten Schritte tun. Das hat cum grano salis früher für meine Arbeit als Psychoanalytikerin mit meinen Patienten gegolten. Mit dieser Haltung gehe ich jetzt in meine Töpferwerkstatt.
Neugier, Interaktion, Überraschung
Meine Arbeit und Wabi-Sabi
Der Begriff Wabi-Sabi umschreibt die Sehnsucht nach etwas, von dessen Unerreichbarkeit man weiß. Jede neue Keramikarbeit ist für mich wie eine Meditation über dieses Thema. Wabi-Sabi ist ein japanischer Ausdruck. Wabi meint Stille, Einsamkeit, Distanziertheit. Sabi meint Altes, Reifes – etwas, das Patina besitzt. Sabi ist aber auch die Unvollkommenheit des Ursprünglichen; Schlichtheit des Unaufdringlichen. Wabi-Sabi ist die Verbindung beider Bereiche. Es bezeichnet eine Art der Kunstbetrachtung.
Jedes Stück, das aus dem Brennofen kommt, hat bestimmte Schritte hinter sich: Aus dem frisch gekneteten Ton oder Resten vom Vortag wurde ein Gefäß, ein Objekt, und nach einem ersten Brand wurde es glasiert. Nach dem Glasurbrand aus dem Ofen genommen, hat es seine eigene „Persönlichkeit“. Es repräsentiert, was es erlebt hat. Es hat aufgenommen, was von meiner Seite hineingeflossen ist: Neugier, Hoffnung, Freude, Spaß. Oft überrascht, manchmal befremdet es. Das neu entstandene Stück lädt ein, sich darauf einzulassen, ihm einen Platz zu geben, ihm einen Sinn zu geben, sei es mittels einer Verwendung, sei es auch, indem es nur betrachtet wird.
Wie die Kirschblüte, die in Japan als Symbol des vergänglichen Schönen gilt, behandelt man dort auch die Keramik. Es wird die Schönheit in der Unvollkommenheit wertgeschätzt. Eine Keramik kommt neu aus dem Ofen. Von diesem Tag an wird sie benützt, wird älter, verändert sich langsam, und wird wertvoller für den Besitzer, sie nimmt immer mehr Geschichte in sich auf. Vielleicht auch Momente, die wie das Erleben der Kirschblüte erinnert werden können.